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Archives need to be used! Interview mit Stadtarchiv-Leiter Jens Geinitz

Seit September hat das Stadtarchiv Norderstedt einen neuen, überaus sympathischen Leiter: Jens Geinitz (54), waschechter Ostfriese, Archivar aus Leidenschaft und großer Fan vom Bauprojekt Bildungshaus.

  • Wie kommt man dazu, Archivar zu werden?Schon als Kind habe ich mich für Geschichtsdokumentationen interessiert. Mit unendlich viel Ausdauer habe ich Dokumentationen geguckt über das alte Rom und Ägypten, mitunter zum Leidwesen meiner Angehörigen. Das Geschichtsstudium später hat mir gut gefallen, aber damals konnte man mit einem Magister in Geschichte vor allem Lehrer werden und das konnte ich mir nicht vorstellen. Mein Nachbar hat mich damals angeworben, für das Archiv der Nordkirche in Kiel tätig zu werden. Schnell war mir klar - ich brauche auch noch einen Abschluss in Archivwissenschaften. Nach drei Jahren berufsbegleitendem Fernstudium an der Uni Potsdam konnte ich mir aufgrund der guten Berufsaussichten die Jobs fast aussuchen. Es folgten drei Jahre beim Landesarchiv in Koblenz und zuletzt sieben Jahren im Uniarchiv Hamburg, bevor im jetzt im September nach Norderstedt gekommen bin.
  • Warum dann Norderstedt und nicht Köln oder London?Es passte einfach. Ich war bereit für eine Veränderung, zudem reizte es mich sehr, die Leitung eines Archivs zu übernehmen. Vollends überzeugt hat mich dann schließlich das Bildungshaus, in das unser Archiv ja einziehen wird. Ich bin in die Planungen und Fortschritte des besonderen Bauprojektes involviert und kann es noch mitgestalten. Das ist wirklich eine große Herausforderung und Chance.
  • Weil es etwas ganz Neues ist?Ja genau. Die meisten Archive sind keine Zweckbauten. Momentan ist das Norderstedter Archiv mit einem Magazin ja teilweise auch in einem Gebäude der Feuerwehr in Harksheide untergebracht. Das nun extra Räumlichkeiten nach dem neusten Stand der Archivwissenschaften gebaut werden, sorgt anderorts für viel Interesse bei Kolleginnen und Kollegen.
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Mit dem Einzug des Archivs ins Bildungshaus wollen wir mehr ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft rücken und uns dort verankern.

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Jens Geinitz
Leiter Stadtarchiv Norderstedt
  • Was sind denn die Anforderungen eines modernen Archivs?Wir arbeiten viel mit Papierakten und die sind sehr empfindlich und mögen es am liebsten dunkel, kühl und trocken. Wenn sie zu feucht werden, droht Schimmel; sind sie zu trocken, werden sie brüchig. Die Räume sollten immer die gleiche Temperatur haben. Um das zu gewährleisten, werden sie durch Thermohydrographen klimatisch überwacht. Unser Archiv im Bildungshaus wird diesbezüglich die neuste technische Ausstattung erhalten. Es wird ein Anlieferungsmagazin geben, in dem die Akten gesichtet werden, eine Werkstatt, in dem sie für die Aufbewahrung präpariert werden, einen Magazinraum mit platzsparender Rollregalanlage und einen Lesesaal mit 6 Plätzen.
  • Soviel Aufwand für ein paar Papier-Unterlagen?Es ist ja viel mehr als das. Wir stehen mit einem Bein in der Vergangenheit und mit dem anderen in der Zukunft. Das Archiv dokumentiert verwaltungstechnisch und rechtlich Relevantes, aber es hält ja vor allem fest, was in der Gegenwart passiert. In hundert Jahren ist es für die Menschen sehr faszinierend, zu erfahren, was die Verwaltung und uns Menschen heutzutage beschäftigt hat. Die Schätze des Norderstedter Archivs gehen übrigens sogar zurück bis ins 17. Jahrhundert.
  • Was ist das älteste Dokument im Bestand?Nach jetzigem Stand eine Chronik über Schleswig-Holstein von 1652.
  • Wenn die Archivalien kein Tageslicht vertragen, hätte man das Stadtarchiv dann nicht einfach in irgendeinen Keller verbannen können?Gerade nicht. Eine Studie über Archive und ihren gesellschaftlichen Nutzen in den USA prägte das Zitat „Archives exist to be used“ und genau das wollen wir mit der starken Präsenz im Bildungshaus ja erreichen. Das Archiv soll von den Bürger*innen genutzt werden.
  • Wie schafft man das?Indem man eben nicht das Klischee der grauen Eminenzen im dunklen Keller bedient. Wir wollen kein geheimes Staatsarchiv sein, sondern offen und transparent unsere Arbeit vorstellen und so einfach wie möglich Einblicke ermöglichen. Durch die Präsenz im Erdgeschoß des Bildungshauses, unserer „offenen Tür“, wechselnden Ausstellungen, nicht nur im Bildungshaus und mit Hilfe von Führungen wollen wir mehr ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft rücken. Davon profitieren im Übrigen auch die Archive über die Landesgrenze hinaus. Ich denke, viele aus der Branche werden nach Norderstedt kommen und sich unser modernes Archiv angucken.
  • Worauf freuen Sie sich persönlich besonders, wenn Sie an das Bildungshaus denken?Auf die tolle, helle Architektur, ein modernes Büro, die imposante Bildungstreppe, die netten Kolleg*innen und darauf, den Besucher*innen zu erklären, warum das Archivmagazin verschlossen ist, wo doch alles so offen ist.
  • Sie leben mit Ihrer Familie in Ahrensburg. Wie war Ihr erster Eindruck von Norderstedt?Ich war überrascht, wie grün es ist. Wenn ich an der U-Bahnhaltestelle Richtweg aussteige, gehe ich an einer regelrechten ländlichen Idylle vorbei zum Büro. Wie in der Feldmark - ein wunderbarer Spaziergang! Außerdem liebe ich als waschechter Ostfriese den roten Backstein und davon gibt es ja reichlich in Norderstedt.

Interview: Carmen Zühlke

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